In der Saison 2014/2015 gab Borussia Mönchengladbach unter dem Schweizer Trainer Lucien Favre die neue „Fohlenelf“. Fußballkenner wissen, was ich meine. Presse und Vereinsmanagement sowie die Branche waren voll der Lobeshymnen. Das Team erreichte überraschend einen Champions League-Platz. Die Souveränität des Chefs war ein gewichtiger Faktor. Kurz nach dem Beginn der Saison 2015/2016 schmiss der hochgelobte Coach das Handtuch. Er könne der Mannschaft nicht mehr helfen. Sie verloren ein Spiel nach dem anderen und sahen sich im Abstiegskampf wieder – zwischendurch traf man sich auf internationaler Bühne mit den Großen. Auch hier brachte die Souveränität des Chefs die Wende. Nach dem Abgang von Favre übernahm der U 23-Trainer André Schubert das Ruder und legte einen unglaublichen Siegeslauf mit derselben Truppe hin, die noch unter Favre ein Spiel nach dem anderen verloren hatte.

Souveränität der Chefs punktet

Im Sport kann ein neuer Chef offensichtlich enorme Potenziale aktivieren – mit demselben Personal. Wenn in Pokalwettbewerben Drittligisten Bundesligisten aus dem Wettbewerb werfen, spielen Übungsleiter, also Führungskräfte, oft eine gewichtige Rolle. Und es ist viel Psychologie im Spiel – gute Übungsleiter wissen damit umzugehen. Kompetenz und Souveränität des Chefs sind wichtig.

Im Sport ist es üblich bei dauerhaftem Misserfolg den Cheftrainer zu entlassen – oder er geht von selbst, wenn Verlieren zum Dauerzustand wird und er Größe besitzt. Wie eben Lucien Favre oder auch Jürgen Klopp. Der meinte, er könne in Dortmund nichts mehr für den Club und die Mannschaft tun und überließ das Feld einem anderen. Manche Cheftrainer überblicken ihre Situation so gut, dass sie selbst wissen, wann es genug ist. Die Souveränität des Chefs kennen Führungskräfte in der Wirtschaft eher selten.

Führung wichtig und gleichzeitig „im Keller“

Top-Führungskräfte verdienen ähnlich wie Cheftrainer im Profifußball. Verantwortung und Druck sind vergleichbar. Der Trainer wiederum hat Vorgesetzte, Sportdirektoren, Präsidenten, Vorstände. Alles wie im Geschäftsleben. Auch dort wird Führung viel Gewicht beigemessen. Auch da ist die Souveränität des Chefs enorm wichtig. Gleichzeitig betrachten viele Menschen Führung als etwas Negatives. Manche, weil größenwahnsinnige und kriminelle Manager, immer wieder in den Medien auftauchen, Andere, weil sie täglich schwache Führung oder Nicht-Führung erleben oder gar unter kriminellen Vorgesetzten leiden.

Führung nur noch ehrenamtlich?

„Fragt man eine Gruppe von Managern, was die wichtigste Basis für den Erfolg von Unternehmen ist, dann wird man oft hören: »Herausragende Führung!« (…) Dieses Erklärmodell für Erfolg oder Misserfolg wird auch von anderen Bevölkerungsgruppen geteilt. (…) Bei der Einstellung zu Führungskräften zeigt sich eine psychologische Ambivalenz. Zwar gesteht man den Führungspersonen eine hohe Bedeutung zu, dennoch ist der Ruf von Führungsgruppen wie Politikern oder Managern eher schlecht. Von manchen Menschen wird Führung als etwas geradezu Unanständiges betrachtet, das am besten, wenn überhaupt, ehrenamtlich erfolgen sollte.“[i] Wie sehen Sie das?

Souveränität des Chefs: Tipps

  • Werden Sie kompetent zum Thema „Mensch“. Eignen Sie sich Wissen dazu an, „wie Menschen ticken“.
  • Lassen Sie sich regelmäßig coachen. Themen: eigene „Baustellen“ bearbeiten, überzeugend kommunizieren, eigene Ziele bearbeiten, Die Situation im eigenen Umfeld reflektieren, Persönlichkeitsentwicklung, akute Herausforderungen mit dem Coach bearbeiten.
  • Entwickeln Sie Entscheidungsstrategien, um gute und klare Entscheidungen treffen zu können. Beispiel: FORDEC, die Entscheidungsstrategie der Piloten.
  • Lösen Sie Herausforderungen und Probleme nur, wenn es Ihnen gut geht.
  • Sorgen Sie für Ausgleich und Motivation. Nutzen Sie Methoden, die dazu beitragen, dass es Ihnen gut geht. Beispielsweise netzwerken, Gruppenverstärkung (Sport) oder Meditation.
  • Nehmen Sie sich nicht zu wichtig…

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[i] Florian Becker: Psychologie der Mitarbeiterführung, Wiesbaden 2015, Kindle-Version, Pos. 156 f.
Auszug aus: Jürgen Zirbik: Führen mit GMV – mit gesundem Menschenverstand souverän führen, Friendship Verlag, erscheint Mitte 2016