Aus Jürgen Zirbik: So ticken wir – Verhaltensgesetze und psychologische Phänomene für Führung, Verkauf und den ganzen Rest, Friendship Verlag, Nürnberg 2012
Auf den nächsten Seiten erfahren Sie etwas, quasi ein kleines Geheimnis, das Ihnen große Vorteile im Alltag und in der Kommunikation bringen kann. Sie werden sicherer, souveräner und wesentlich angenehmer Ihre Kommunikationsziele erreichen, weil Sie sich mit diesen Informationen selbst positiv beeinflussen und Ihren Gesprächspartner oder Ihr Publikum optimal einstimmen können. Das, was jetzt kommt, habe ich (der Autor) quasi soeben angewendet. Umgangssprachlich habe ich Sie positiv eingestimmt auf das folgende Thema, in dem ich Ihnen den Nutzen beschrieben habe. Dieses „Einstimmen“ wirkt vor allem unterbewusst und nennt sich Priming oder Bahnung.
Priming: psychologische Beeinflußung
Priming ist ein spannender Effekt, durch den Sie die Wahrscheinlichkeit bestimmter Reaktionen bei einem Gesprächspartner erhöhen. Es sorgt dafür, dass Schemata oder Muster, die in uns angelegt sind, leichter zugänglich gemacht werden. Oben habe ich das Muster „Geheimnis“ angesprochen. Wie Sie bereits wissen, liebt unser Gehirn die Abkürzung und das Einfache und reagiert deshalb gerne positiv auf Schlüsselwörter wie „Geheimnis“.
Ein Beispiel aus der Wahrnehmungspsychologie
In einem Priming Experiment zeigte der amerikanische Psychologe Steven Palmer Versuchspersonen extrem kurz das Bild eines Brotlaibes, eines Briefkastens oder einer Trommel (und anderer Objekte). In 40 Prozent der Darbietungen konnten sie die Objekte korrekt identifizierten. Sahen sie zuvor beispielsweise das Bild einer Küche, stieg die korrekte Identifizierung des Brotlaibes auf 80 Prozent. Den Briefkasten oder die Trommel erkannten sie nicht häufiger. Sie passen ja auch nicht in ein Küchenbild.[i]
Alles klar? Priming einfach ausgedrückt: Unsere Gehirne arbeiten bevorzugt mit Mustern oder Schemata. Wir greifen gerne auf „Schubladen in unserem Gehirn“ zurück – alles andere ist wirklich zu anstrengend und in vielen Situationen einfach nicht praktikabel, insbesondere wenn es wirklich ums Überleben geht und wenn es schnell gehen muss. Dabei nutzen wir Erfahrungen, Assoziationen (Verknüpfungen: Küche, Essen, Brotlaib) und ziehen Glaubenssätze „zu Rate“ – also Überzeugungen, die ziemlich lange und tief in uns stecken. Aber auch auf kurzfristige Reize reagieren wir und lassen uns „primen“. Wenn wir uns gerade einen Krimi angesehen haben, vermuten wir hinter jedem Knarren in der Wohnung einen Einbrecher, weil wir entsprechend emotional „gepackt“ sind. Haben Sie sich eine romantische Komödie angesehen und viel gelacht, neigen Sie nach der Priming-Theorie eher dazu, Ihren Partner oder Ihre Partnerin anschließend romantisch und humorvoll zu bewerten.
Mitmachen: ein Priming Experiment
Antworten auf die folgenden Fragen schnell und ohne lange nachzudenken:
Welche Farbe hat Schnee?
Wie ist die Farbe eines Brautkleides?
Bitte Farbe einsetzen: Wenige Politiker haben eine………… Weste.
Welche Farbe haben Schneeglöckchen?
Was trinkt die Kuh?
Sind Sie reingefallen? Trinkt auch Ihre Kuh Milch? (90 Prozent beantworten die letzte Frage so). Grämen Sie sich also nicht, denn Priming hat zugeschlagen. Die Fragen stimmen auf die Farbe Weiß ein. Sie werden also auf Weiß gebahnt. Wenn Sie auf die letzte Frage Milch statt Wasser gesagt haben, gehören zu den „Normalos“, denn die meisten Menschen lassen sich auf diese Weise durch die vorangegangenen Fragen in ein falsches Schema führen.
Priming im Verkauf
Im Verkauf gibt es dazu etwas Vergleichbares, die sogenannte JA-Kette. Haben Sie auf mehrere Fragen hintereinander, passend zum Thema, JA gesagt, sind Sie entsprechend gebahnt. Sie haben dem „Berater“ (wer das anwendet, ist eher ein Schlitzohr) X-Mal Recht gegeben und mit JA geantwortet – Sie halten ihn nun für kompetenter (es ist so). Und Sie sind auf JA- eingestimmt und die Chance, dass Sie letztlich auch JA zum Produkt oder zur Dienstleistung sagen und unterschreiben oder Geld auf den Tisch legen, soll nach der Theorie gestiegen sein.
Verkäufer, die es nötig haben, so zu arbeiten, haben nicht nur die falsche Einstellung, sie sind nach meiner Einschätzung wohl auch nicht besonders intelligent. In keinem Fall ist es clever, so zu verfahren. Denn in der Praxis können Sie diese Damen und Herren leicht identifizieren und schnell aus „dem Psychokonzept Priming“ bringen. Tun Sie das jedoch schnell, denn Priming geht flott und unbewusst. Sagen Sie JA, weil sie wirklich überzeugt sind, ist das auch in Ordnung.
Priming Abwehr: So unterbrechen Sie die „Ja-Kette“
Sobald Sie feststellen, dass Ihnen ein Verkäufer mehrere Fragen stellt, die Sie quasi nur mit JA beantworten können (Suggestivfragen: „Möchten Sie auch Steuern sparen?“), unterbrechen Sie die „Ja-Kette“, dieses spezielle Priming, nachdrücklich an irgendeiner Stelle. Je früher, desto besser. Eine Rückfrage ist sehr gut geeignet. Lassen Sie sich ein Detail erläutern oder fassen Sie einmal kurz zusammen. Auch die etwas frechere Variante wie, „Kommen jetzt noch weitere Plattitüden (Floskeln, Plattheiten) und rhetorische Fragen oder wollen wir mit der Beratung starten?“, macht Spaß – es muss aber zu Ihnen passen. Reagiert der „Berater“ dann hilflos oder verfällt schnell wieder in sein angelerntes Schema, schicken Sie ihn nach Hause.
Priming: Typische „Ja-Fallen“ und die passende Reaktion[ii]
„Sie wollen doch sicher auch Steuern sparen?“
„Sie fangen mit derselben dummen Frage an wie alle. Lassen wir das.“
Oder: „Nein, ich zahle gerne Steuern. Ich möchte auch morgen noch ein Hallenbad und ein Theater in der Stadt haben.“
„Wollen Sie mit unserem Anlagekonzept in fünf Jahren mehr verdienen als andere in 30 Jahren?“
„Nein, denn Sie vergleichen die Renditen hochspekulativer Geldanlagen mit denen von sicheren Anlageinstrumenten. Das ist unseriös.“
„Möchten Sie im Alter sorgenfrei leben?“
„Für wen arbeiten Sie und was möchten Sie mir verkaufen? Wie kann ich Sie gegebenenfalls erreichen?“
„Möchten Sie für ein Euro pro Tag abgesichert sein?“
„Ich soll über 350 Euro im Jahr bezahlen für etwas, das Sie nicht besser beschreiben können? Der Preis sagt doch nichts über die Notwendigkeit und das Preis-Leistungsverhältnis eines Produktes aus.“
„Wollen Sie nicht auch eine garantierte Rendite von 15 Prozent jährlich erzielen?“
„Machen Sie mir ein Angebot mit einer schriftlichen Bestätigung der Rendite.“
„Wollen Sie nicht auch die Aktien haben, die jeder in einem erfolgreichen Depot haben muss?“
„Nein, ich möchte die Geldanlage, die zu meinen Vorstellungen und meiner Lebenssituation passt.“
____________________________________________________________
Bildnachweis:
[1] bigstock-Strawberry-On-A-Fork-Punctured-73746679
[2] Fotolia 43974081, Markus Mainka
[i] Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Priming_%28Psychologie%29, 20.06.2015
[ii] Teilweise zitiert nach: http://www.optimal-absichern.de/finanzen/geldanlage/das-sind-die-rhetorik-tricks-gewiefte-verkaeufer-stolpern-sie-in-die-ja-falle.php, 06.04.2012