Für Persönlichkeitsentwicklung, Leistung und Erfolg ist es prima zu wissen, welche Talente und Stärken man besitzt. Hand auf´s Herz: kennen Sie Ihre Talente und besonderen Stärken? Viele kommen bei der Beantwortung dieser Frage ins Schwimmen. Die meisten können recht genau sagen, worin sie nicht besonders gut sind, denn darauf sind wir kulturell gepolt. Ein schönes Beispiel aus der Erziehung: Ihr Kind bringt das Zwischenzeugnis nach Hause – Geschichte 1, Sozialkunde 2, Englisch 2, Chemie 3, Religion 1, Mathe 5. Worüber sprechen Sie am ausführlichsten mit Ihrem Kind?… Sehen Sie. Das ist eines der schönen Beispiele, die uns im Buch „Entdecken Sie Ihre Stärken jetzt – Das Gallup-Prinzip für individuelle Entwicklung und erfolgreiche Führung“ die vorherrschende Schwächen-Kultur klar machen. Studien aus dem Buch zeigen, dass die meisten Menschen der Auffassung sind, dass man sich eher mit den Schwächen beschäftigen sollte, wenn man weiterkommen möchte. Demnach gehen wir für uns selbst und in der Führung von falschen Prämissen aus:

  1. Jede Person kann auf nahezu allen Gebieten Kompetenzen erwerben
  2. Wenn wir unsere Schwächen mindern, haben wir das größte Potenzial

„Stärken stärken“ – ach ja, die Amerikaner

„Stärken jetzt“ (ich kürze den Titel in der Folge) ist ein typisch amerikanisches Sachbuch. Manches wirkt für europäische Geister überzogen, übertrieben und ein wenig skurril. Wie etwa die Geschichte von Ralph Gonzales, einer Führungskraft, die aussieht wie Fidel Castro. Gonzales optimiert einen Laden unter dem Motto „Revolution“ und lässt die Mitarbeiter teilweise im Kampfanzug antreten. Nun ja. Gonzales Stärke ist, die Leute sehr individuell zu bewerten und nach Ihren Stärken einzusetzen. Mit dem Laden geht es steil nach oben. Optimierung durch Stärkekultur. Und genau darum geht es in „Stärken jetzt“. Klappentext:

„Stärken der Mitarbeiter stärken, anstatt ihre Schwächen bekämpfen – das ist es, was Unternehmen erfolgreich macht. Denn wer täglich das tun darf, was er am besten kann, arbeitet am effektivsten. Damit individuelle Stärken einfach identifiziert und gefördert werden können, haben die Autoren den Strengths-Finder entwickelt. Dieser Selbsttest ermittelt die fünf größten persönlichen Stärken. In diesem Bestseller erhalten Führungskräfte und Mitarbeiter fundierte Informationen, wie diese „Top Five“ im Arbeitsalltag am besten eingesetzt werden können – für mehr Zufriedenheit, Motivation und Erfolg im Job.“

Geschrieben ist „Stärken jetzt“ von Marcus Buckingham und Donald O. Clifton, zwei Gallup-Chefs, Buckingham ist heute Managementberater, die das Stärkenprinzip über Jahrzehnte untersucht und entwickelt haben. Das Buch ist zwar schon 2001 erschienen, hat jedoch nach wie vor Gültigkeit, ebenso wie der damit verbundene Strength-Finder-Test, der die stärksten fünf Talente des Test-Teilnehmers aufzeigt. Mit dem Buch haben Sie übrigens auch kostenlosen Zugang zum Test. Er besteht aus knapp 180 Fragen und einem komplexen Auswertungsallgorismus. Dahinter liegen die Ergebnisse einiger Zehntausend Befragungen. Nach Aussage der Autoren sind die Ergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit aussagekräftig und relevant.

Meine Stärken: die persönliche Erfahrung

Unterschiedliche Stärken und WirkungenMein eigenes Talent-Ergebnis hat mich anfangs überrascht und mich einige Tage lang zum Nachdenken angeregt. Je genauer ich es mit meinem Lebenslauf und meiner Arbeit als Trainer, Coach und Autor in Beziehung brachte, desto klarer wurde mir der nachvollziehbare Zusammenhang. Das Buch hilft das Test-Ergebnis zu verstehen und Schlüsse für die Zukunft ziehen zu können. Zu jedem Talent und einigen Talentkombinationen gibt es eine Beschreibung und Beispiele von Menschen, die dieses Talent besitzen. Das hilft zu verstehen. Wissbegier, Bindungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen sind meine drei vorherrschenden Talente von immerhin 34 Talenten, die hinterlegt sind. Ich hatte hier etwas anderes erwartet, beispielsweise Kommunikationsfähigkeit oder Harmoniestreben. Auch aus dem, was nicht ganz vorne auftaucht, lernt man so einiges über sich. Wichtig auch die Erkenntnis, dass Talente teilweise genetisch bedingt sind, früh angelegt werden und später keine neuen hinzugewonnen werden können. Stärken schon.

„Sie werden nicht in der Lage sein, Ihr Gehirn neu zu verdrahten, aber durch den Erwerb neuen Wissens und neuer Fertigkeiten können Sie Ihrem Leben eine neue Richtung geben. Sie können keine neuen Talente lernen, aber Sie können neue Stärken entwickeln.“ (S.163)

„Stärken stärken“ in Unternehmen und Führung

Viele Unternehmen sind nicht auf die Stärken Ihrer Mitarbeiter gepolt. Das sieht man schon in den Stellenanzeigen. Erfahrung, Können, Fähigkeiten – Talente und Stärken kommen kaum vor. Auch dazu liefert das Buch Beispiele, wie es anders geht. In den umfangreichen Umfragen, die das Gallup-Institut immer wieder durchführt, stimmen durchschnittlich nur 20 Prozent der Befragten der Frage zu „Haben Sie an Ihrem Arbeitsplatz die Gelegenheit, jeden Tag das zu tun, was Sie am besten können?“.  Das liegt unter anderem daran, dass die meisten Unternehmen prozessgetrieben sind. Alle Unternehmen, mit denen ich als Trainer, Coach oder Speaker zu tun habe, sind so gestrickt – das hat auch etwas typisch Deutsches und muss nicht grundsätzlich schlecht sein. Aber diese Unternehmen vergeben Potenzial, denn „sie machen dem Mitarbeiter zu viele Vorschriften und bauen übermäßig auf das Prozess-Reenineering“, so die Autoren. Damit sollen Arbeitsabläufe weltweit harmonisiert und qualitativ bewertbar sein. Gut – hallo ISO 9000 etc. Damit wollen Unternehmen nicht von den Kompetenzen einzelner Mitarbeiter abhängig sein. Grundsätzlich herrscht hier das Primat des Controllings. Der Einzelne spielt keine große Rolle, so meint man. So fühlt sich das auch an und so verhalten sich die Mitarbeiter – wenig engagiert, teilweise destruktiv (siehe Gallup-Studie 2014). Das auf Stärken bauende Lager ist noch wesentlich kleiner als das prozessgetriebene und soll durch dieses Buch und die Stärken-Initiative von Gallup weiter wachsen.

„Schritt für Schritt-Unternehmen sind so gestaltet, dass sie die Individualität jedes einzelnen Mitarbeiters bekämpfen. Auf Stärken basierende Unternehmen nutzen sie.“ (S.240)

Voraussetzung für die Entwicklung einer „Stärken-Kultur“ ist eine produktive Unternehmenskultur, so Buckingham und Clifton. Sie basiert nicht in erster Linie auf der Bewertung der Mitarbeiter durch das Management, sondern auf dem Messen der Ergebnisse einer Produktion oder Dienstleistung. Zwölf Fragen an die Mitarbeiter helfen Ihnen, herauszufinden, wo Sie diesbezüglich stehen (5-wertige Skala; 5 für „stimme völlig zu“, 1 für „stimme nicht zu“).  Fünf Fragen als Beispiele (S.242 f.)

  1. Weiß ich, was von mir an meinem Arbeitsplatz erwartet wird?
  2. Habe ich bei der Arbeit die Möglichkeit, jeden Tag das zu tun, was ich am besten kann?
  3. Habe ich in den letzten sieben Tagen Anerkennung oder Lob für gute Arbeit erhalten?
  4. Gibt es jemanden, der meine berufliche Entwicklung fördert?
  5. Habe ich einen besten Freund im Unternehmen?

Alle zwölf Fragen führen nach ernsthafter Beantwortung durch die Mitarbeiter, beispielsweise über eine schnell durchführbare Online-Befragung, zu einem recht klaren Ergebnis, wo ein Unternehmen bezüglich Produktivität und Kultur steht. Ob das alle Chefs und Manager eines Unternehmens wirklich wissen wollen, ist eine andere Frage.

Der Effekt der Stärken-Kultur

Lauf der Autoren und Gallup sind über Stärken Orientierung positive Effekte in vielerlei Form zu erwarten. „In unserer jüngsten Meta-Analyse von 198.000 Mitarbeitern in fast 8.000 Unternehmensbereichen hatten die Mitarbeiter, die entschieden zustimmten, dass sie die Chance hatten, jeden Tag das zu tun, worin sie am besten waren, weniger Krankheitstage, beanspruchten weniger Krankheitsgeld und hatten weniger Unfälle bei der Arbeit.“ (S.255)

Das ist doch schon einmal etwas. Empfehlenswert ist das Buch darüber hinaus aus vier Gründen (die ersten beiden zitiert – S.226):

  1. Die Talente jedes Menschen sind dauerhaft und einzigartig
  2. Der größte Spielraum für das Wachstum eines jeden Menschen liegt in seinen größten Stärken
  3. Sie erfahren mit dem über das Buch kostenlos nutzbaren Test, welches Ihre fünf Talent-Leitmotive sind und über das Buch, was das für Ihr Leben bedeutet und wie sie diese Erkenntnis nutzen können
  4. Sie erhalten über das eigene Talente-Profil und die Erkenntnisse aus dem Buch einen Impuls, wie Sie Ihr Unternehmen und Ihre Leute fördern können

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Quelle für Zitate:
Entdecken Sie Ihre Stärken jetzt! (Sonderausgabe)
Das Gallup-Prinzip für individuelle Entwicklung und erfolgreiche Führung
von Marcus Buckingham, Donald O. Clifton.
Campus Verlag, 2014
Link zum Buch 

Bildnachweis: bigstock-Close-up-shot-of-roaring-lion-42360532