Empathie kann Leben retten – in der Führung kommt Empathie weitgehend zu kurz. Führungskräfte handeln oft auf Kosten von Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten, um selbst gut dazustehen. Manchen Chefs ist es schlicht egal, wie es den eigenen Leuten geht. Dabei ist Empathie eine Basis guter Führung und einer von fünf Überzeugungsfaktoren, die die folgende Geschichte zeigt. Da kommt eine ältere Dame ins Büro und es passiert Unglaubliches…
Empathie kann Leben retten – auch im Businessalltag
Vor rund 30 Jahren, kurz nach Mittag – irgendwann im Frühsommer. Ich bin Studioleiter eines Radiosenders in Nordbayern. 15 Mitarbeiter und ich sitzen in der Redaktionskonferenz. Da geht die Türe auf. Eine ältere Dame tritt ein. Ich gehe auf sie zu und will ihr sagen, dass … aber ich komme nicht dazu. Sie schaut wirr und aggressiv, bewegt sich nervös – wie ein Boxer vor dem Kampf. „Hallo! Was wünschen Sie?“ Sie reagiert nicht, schaut mich feindselig an. Plötzlich zieht sie eine Pistole aus ihrer Handtasche. Sie fuchtelt damit wild in der Luft herum. Ich bleibe wie erstarrt stehen. Keiner rührt sich. Es ist vollkommen still.
„Ihr seid schuld daran, dass mein Sohn verhaftet worden ist. Ich habe seit drei Wochen versucht mit euch zu reden. Ihr solltet Durchsagen machen, damit er zu mir kommt. Er hat das nicht getan …“ Sie textete uns unendlich lange Minuten mit irgendetwas zu, das wir gar nicht verstehen. Dabei immer die Pistole auf uns gerichtet. Wir wissen nicht, ob das Ding echt ist oder nicht, geladen oder nicht. Sie macht einen verwirrten und gefährlichen Eindruck auf uns. Wir sind in einer seltsamen Starre gefangen, während die alte Dame weiter vor sich hin schwadroniert.
„Ich verlange, dass Sie jetzt sofort eine Durchsage machen und dafür sorgen, dass mein Junge wieder frei kommt … .“
Ich stehe noch immer wie angewurzelt da. Unsere Redakteurin Sylvia steht langsam auf. Sie geht auf die „Amokläuferin“ zu und stellt sich neben sie.
„Genau! Ich will auch etwas loswerden. Meine Katze ist weg und keiner macht etwas. Ihr macht jetzt jede Stunde eine Durchsage. Bewegt endlich euren Hintern.“
Die ältere Dame nickt Sylvia zu und lässt die Pistole sinken. Ich springe auf sie zu und reiße ihr die Waffe aus der Hand (ein Anflug von Größenwahn, das Ding ist tatsächlich echt). Sie setzt sich auf einen Stuhl, bekommt einen Kaffee, beginnt zu jammern und fällt in sich zusammen. Es fällt kein Schuss. Alles gut. Da kommen Polizei und Notarzt zur Türe hereingestürzt… Wir haben nichts mehr von der älteren Dame gehört.
Allein der grandiosen Idee Sylvia´s hatten wir es zu verdanken, dass die Situation gelöst wurde. Sylvia fühlte sich in die Frau ein und tat so, als hätte sie ein ähnliches Problem. Sie erzeugte ein „Wir“. Das ist Empathie vom Feinsten und diese Empathie kann Leben retten. Das verwirrte die Frau so sehr, dass die Anspannung von ihr abfiel. Ich griff ein. Das wiederum war bescheuert, weil die Waffe echt und geladen war. Es ist ja alles gut gegangen.
Emotionen, Kommunikation und Führung
Einmal mehr ist klar, es kommt auf die Emotionen an. Empathie hilft erkennen, wie es Anderen geht und sie hilft verstehen, was das gerade für die Gesamtsituation und Kommunikation bedeutet. Das heißt, wir haben eine bessere Idee davon, wie wir uns verhalten und was wir sagen sollten, um eine Situation zu beeinflussen.
Einfühlungsvermögen zielt auf unsere Gefühlslage. Fühlen wir uns angenommen und verstanden, sind die ersten Schutzwälle gegen Überzeugungstäter schon niedergerissen. Anspannung und Aggression sinken. Dann ist wirkungsvolle Kommunikation möglich. Wir kommen aus unserem Schneckenhaus und hören zu. So kann im Extremfall gelten: Empathie kann Leben retten.
Empathie in der Führung – Achtung Tricks
Ein „wir“ verführt uns zur Schleusenöffnung in unsere Software Gehirn. Alle, die viele „Wirs“ benutzen, sollten Sie mit Vorsicht genießen. Denn „Wir“ ist das Betroffenheitspronomen. Politiker und Chefs lieben das „Wir“, wenn es darum geht, uns zu gewinnen. Barak Obama benutzte in seiner Antrittsrede in gut 18 Minuten 155 Mal die Wörter „wir“, „uns“ und „unser“. Die Botschaft dahinter: Wir gehören zusammen. Wir haben vieles gemeinsam. Also stimmt mir zu. Das Wir zeugt von Empathie. Und Empathie ist ein Faktor für Charisma.
Empathie und Eigeninteresse
Im Übrigen sprechen Politiker und Manager gerade dann, wenn sie etwas von uns wollen, sehr gerne die Dinge an, die wir so und so gerne haben möchten. Das Eigeninteresse des Publikums zu kennen ist Gold wert. Sichere Renten, mehr Geld in der Tasche, bessere Straßen oder mehr Sicherheit – sie sind auf der Seite der „Bürgerinnen und Bürger“ und tun so als wüssten sie, was uns bewegt. Führungskräfte haben meistens keine Ahnung vom Eigeninteresse, also den wichtigen Wünschen ihrer Mitarbeiter. Dabei hilft dieses Wissen immens für souveräne Führung.
Empathie kann Leben retten – sie kann erst recht überzeugen helfen
Wissen Sie als Chef, was ihren Mitarbeitern wichtig ist, was sie gerade bewegt, können Sie Meilensteine für überzeugendes Führen setzen. Motto: „Wenn du ein Pferd lenken willst, lenke es dahin, wohin es von selbst gehen möchte.“ Erst einmal ist Ruhe. Später nehmen Sie die Zügel fester in die Hand. Das funktioniert, denn „wenn das Gehirn durch Empathie überwältigt wird, dann erstickt es an seiner eigenen Logik.“[i]
Allerdings sollten Sie zuerst herausfinden, was ihre Leute beruflich im Innersten bewegt. Erst dann können Sie ein „Wir“ glaubhaft einsetzen und überzeugen. Empathie ist dabei der Schlüsselfaktor – und Sie wissen ja: Empathie kann Leben retten.
_______________________________________
[i] Buchtipp und Quelle: Kevin Dutton: Gehirnflüsterer, dtv, 2010, S.242
Bildnachweis: 123rf.com #49339510_xl
Buchtipp: Jürgen Zirbik: Rhetorik für Chefs, 2019 – Klick zum Buch gratis